DER PEUGEOT SPEEDFIGHT AUF WELTREISE

Mit einem 125er Speedfight von Peking nach Böblingen.

Alexander von Henning, ein begeisterter Zweiradfahrer, ist beruflich häufig längerfristig im Ausland unterwegs. Nach seinem letzten Auslandsaufenthalt hat er uns über seine ganz besondere Rückreise nach Deutschland mit seinem Speedfight 3 berichtet:

Schon vor dem Start unseres vierten Auslandsvertrages, dieses Mal ging es nach China, war klar, dass die Heimreise wieder auf 2 Rädern stattfinden würde. Und es war auch klar, dass, entgegen vorhergehender Trips durch Afrika und USA, noch einmal etwas weniger vorgeplant wird.

Nach meiner Erfahrung müssen nur die wesentlichen Eckpunkte wie z.B. Visaerfordernisse bei Grenzüberquerungen einigermaßen klar sein. Auch bei der Vorbereitung des Equipments sollte man nicht übermäßig penibel sein. Tendenziell nimmt man immer zu viel mit, was dann irgendwann stört. Und zumeist bekommt man unterwegs auch alles was man vielleicht zu Haus vergessen hat.

Und so ging es dann Mitte Juni 2019 los. Auf der Weltkarte betrachtet -> Ab Peking erstmal links und dann ziemlich lang geradeaus.

Und warum mit einem Roller? Nun, das war zunächst anders angedacht. Es sollte standesgemäß mit einer Honda Africa Twin älteren Baujahres losgehen. Diese stand aber 2 Wochen vor Abreise doch nicht mehr zur Disposition und es war dann nur noch der Roller da. Mein zuverlässiges Gefährt für den täglichen Weg zur Arbeit. Und da der Kleinroller bis dato einen überaus tadellosen Dienst geleistet hat wurde er zum Weltreiseroller auserkoren und dementsprechend vorbereitet. Große Scheibe, Aufsatz und den Vario Riemen getauscht… Ja, das war’s eigentlich.

Nach Abschied von Frau und Sohn befand ich mich kurze Zeit später auf der Landstraße. Super! Nach über 2 Jahren endlich wieder auf Tour. Ein gutes Gefühl ?

Mit überschaubarer Reisegeschwindigkeit von ca. 85 km/h ging es gemütlich voran. Vom belebten Osten Chinas in dem immer karger werdenden Westen. Immer geradeaus…

Ebenfalls überschaubar war natürlich die Reichweite meines Sportgerätes. Hinzukam ein immer spärlicher werdendes Tankstellennetz, und dass im Land eigentlich keine Reservekanister aufgefüllt werden dürfen.

Und nach dem dritten Mal: "Geradeso zur nächsten Tanke geschafft" war klar: Ich sollte vielleicht jemanden finden der uns ein Stück mitnimmt. Die meisten Chinesen sind sehr hilfsbereit und so habe ich schnell einen Trucker ausfindig machen können, der seine Gesellschaft und etwas Platz auf seinem Tieflader anbot. Wie lang wir gemeinsam reisen würden war bis dahin noch unklar.

Es stellte sich heraus, dass Herr Wu tatsächlich bis kurz vor die Grenze nach Kasachstan fuhr. Und so verbrachten wir ganze 4 Tage miteinander. Unsere Kommunikation erfolgte aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse ausschließlich per WeChat. Das ist das chinesische WhatsApp und funktioniert fürs schnelle Übersetzen einfach super. So vollzog sich die Verständigung durch ins Telefon quasseln und die Übersetzung jeweils ans freie Ohr des Mitreisenden zu halten. Wenngleich unser Austausch selten über die jeweiligen Grundbedürfnisse hinaus ging wurden wir schnell ‚"ziemlich dicke Freunde". ?

Geschlafen wurde in der Fahrgastkabine - ich oben, er unten. Er kümmerte sich ums Essen, ich um die Getränke.
Kurz vor der Grenze nach Kasachstan waren es dann fast 3.000 km, vorbei an der Gobi, über wunderschöne Passstraßen und prächtig grüne Landstrichen im entfernten Osten des Landes.

80 km vor der Grenze hieß es dann Abschied nehmen. Mit schnellen Händen und etwas Unterstützung wurde der Roller wieder vom Truck gelupft, alles verzurrt und unsere Wege trennten sich wieder. Beide etwas traurig, wussten wir doch: Wir hatten ja immer noch WeChat. ?

Ab hier sollte es dann eigentlich sehr schwierig werden. Die Ausreise aus China mit dem eigenen Fahrzeug – fast unmöglich. Aber oft kommt es eben ganz anders als erwartet.

In der Grenzstadt Korgos eingetroffen, ließ ich mich von einem Taxifahrer zur Grenze bringen. Es war gegen 18:30 Uhr als wir dort ankamen – ringsumher menschenleer. Sehr verdächtig. Der inzwischen ausgestiegene Taxifahrer rief mich zu einem einsamen Grenzbeamten herüber. Dieser gab mir schnell zu verstehen, dass wir uns beeilen müssen. Und ich solle ihm durch den Fußgängerbereich folgen. Gesagt getan. Er half mir den Roller hochkant durchs Drehtor zu manövrieren, und flugs ging es über den großen Vorplatz hinüber zum Grenzstation.

Wie üblich in China, ein furchtbar riesiges und respekteinflößendes Gebäude - und alles neu. Dort angekommen, nahm mich eine Frau in Empfang und öffnete manuell die nächste Schiebetür. Eine in der Art wie man sie von Flughäfen kennt. Dort waren dann andere Beamte, welche hastig meinen Reisepass forderten. In mittelmäßigen English wurde ich gefragt wie lang ich denn in Kasachstan bleiben wolle. Ich entgegnete: “Maybe 3 or 4 days, take pictures and come back”. So ganz sicher war ich mir ja auch nicht. ?

Dann wurde mein Gepäck geprüft, zügig mein Reisepass abgestempelt, und ich durfte die Treppe hinunter in Richtung Ausgang fahren. Ja und dann…nichts mehr, ich war raus aus China…So plötzlich. ?

Angekommen in Kasachstan stieg ich im ersten Dorf ab, in dem ich eine Gaststätte mit Ausschank finden konnte und feierte den unerwartet einfachen Grenzübergang. Und im Grunde auch, dass ich es mit meinem Roller geschafft hatte, welcher bisher einfach nur absolut zuverlässig dahinschnurrte.

In den Städten und Dörfern nach der Grenze fühlte man sich wie in die DDR zurückversetzt. Die Plattenbauten, alles ein wenig farblos, die Straßen schlecht, aber die Menschen irgendwie zufrieden…

Bis nach Almata vergingen die Fahrtage wie im Flug. Dort besuchte ich Freunde der elterlichen Familie meiner Frau und über lang gestreckte exzellente Straßen entlang hoher Gebirgsketten ging es weiter in Richtung Usbekistan. Die längste Etappe in diesen Tagen lag bei knapp über 800 km.

Auch der Grenzübergang nach Usbekistan war an sich problemlos. Nur aufgrund der großen Menschenmengen vor Ort dauerte es unheimlich lang. Und irgendeiner war dann immer auch mal in Deutschland gewesen, man kommt ins Plaudern und erzählt seine Geschichte immer mal wieder neu. ?

In Usbekistan ging es dann an allerhand kulturgeschichtlichen Stätten vorbei. Tashkent, Samarkand und Bukhara. Ab Nukus wurden dann die Straßenverhältnisse deutlich schlechter bis hin zu 1a Offroad-Pisten á la Kongo DRZ.

Zusammen mit Temperaturen von über 45 °C war dies ein ziemlich einprägsamer Streckenabschnitt. Aber auch hier lief der Speedfight absolut souverän.

Da mir das Fahren unter afrikanischen Bedingungen so gefiel, fuhr ich weiter und weiter bis ich ca. um Mitternacht die nächste Grenze erreichte. Und hier hatte ich endlich mein erstes technisches Problem. Allerdings nur eine Kleinigkeit. Ein Nagel bohrte sich in meinen Hinterradreifen. Hier konnte ich meine ganze Erfahrung mit platten Reifen ausspielen. In 3 Minuten war alles gefixt und es hätte weitergehen können. Wenn da nicht noch die Grenze wäre. Hier hat es eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Hier hin…Da hin… Kleine Zettel abstempeln lassen ohne erkennbares System. Grauenvoll, wenn man zum Beispiel aus Deutschland kommt.

Ich nächtigte im erstbesten Hotel und von dort ging es nach Aktau.

Das Kaspische Meer war erreicht. Sauber!

In den folgenden Tagen ließ ich es mir gut gehen. Ein top Hotel, Klamotten waschen, Bilder sortieren und Haare schneiden.

Der Fährhafen liegt etwas außerhalb von Aktau. Dort angekommen traf gleichzeitig mit mir eine Gruppe litauischer Motorradfahrer ein, die sich mit mir und dem Weltreiseroller auf zahlreichen Fotos schmückten. Wir freundeten uns schnell an und checkten ein.

Das Fährschiff kommt unregelmäßig alle 3-4 Tage. Wir hatten viel Glück, unseres kam schon am selben Abend. Mit uns auf dem Dampfer waren zumeist LKW-Fahrer und nur etwas Personal. In Summe aber für ein Schiff dieser Größe beängstigend wenige Menschen. Nun ja, es ging dann Mitten in der Nacht los. Wir waren auf Stube und tranken Hochprozentiges aus Trinkrucksäcken, die die Wikinger mit an Bord geschmuggelt hatten.

Nach zwei langen Tagen kamen wir schlussendlich doch noch in Baku an. Mit viel Freude schwangen wir uns wieder auf das jeweilige Moped und es ging weiter. In Azerbaijan waren wir nur kurz tanken und erreichten noch am gleichen Abend die Grenze nach Georgien. Natürlich waren die Motorräder deutlich schneller unterwegs als ich. Aber offensichtlich hatte der Rollerfahrer doch den eiserneren Budd ;-) Die Überraschung war groß, als ich nur 10 Minuten später ebenfalls an der Grenze eintraf.

In der wunderschönen Stadt Tiflis hatten wir 2 Tage, an denen wir uns ausschließlich über Motorräder unterhielten. Im Resultat einigten wir uns darauf, dass die Honda Africa Twin (hier im spezifischen die RD07a) und die Suzuki DR650 beides die weltbesten Motorräder sind. Ganz knapp gefolgt aber natürlich vom Peugeot Speedfight 125!

Ab hier trennten sich unsere Wege leider wieder. Die Wikinger folgten ihrem Weg nach Norden und ich weiter in Richtung Türkei. Die südliche Schwarzmeerküste ist atemberaubend schön. Und da das Wetter kaum besser hätte sein können, verbrachte ich viele der folgenden Nächte im Zelt.

Nach der Türkei kam Griechenland und es war nicht mehr weit bis Thessaloniki, die Stadt in der ich während meines Studiums ein Auslandssemester absolvierte. Große Emotionen!
Ich hätte mir ja niemals vorstellen können, dass ich dort aus östlicher Richtung mal mit einem 125er Roller einfahre.

Hier blieb ich einige sehr erholsame Tage um dann, frisch gestärkt, den letzten Reiseabschnitt anzutreten. Es ging über Albanien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Italien in die Alpen.

Und es musst dann doch noch mindestens ein Hochalpenpass sein, um das Gesamtbild der Reise zu abzurunden. Gewählt habe ich das Timmelsjoch. Zu Beginn war noch alles wie sonst, dann wurde die Luft dünner und dünner, so dass mich kurz vor dem Gipfelsturm doch noch die Fahrradfahrer überholten, welche ich weiter unten noch freundlich grüßte. Aber es ward geschafft. Oben angekommen gab’s ein Siegerfoto und es ging im folgenden Streckenverlauf behände bergab bis…

…ja bis irgendwann der Name des Ortes angeschrieben war in dem ich die meiste Zeit zu Hause bin…

Es hat also wirklich geklappt. In Summe waren es 13.000 km in 5 Wochen.

Ich denke gern an jeden Tag der Reise zurück und bin mir sicher, dass ich auch kommende Reisen wieder mit einem Roller unternehmen werde. Man reist sehr entspannt, benötigt kaum Ausrüstung und kommt aufgrund bauartbedingt niedriger Geschwindigkeiten sehr viel mehr mit den Menschen in Kontakt…Das, was das Reisen im Grunde ausmacht.

Gruss, Euer Alex

Alexander von Henning, 19.04.2020